Unsereiner hofft, hinreichend befähigte Menschen in den Rat der Kommune zu wählen. Wir Wähler vergeben ein Mandat und erwarten, daß die Mandatsträger unsere Grundauffassungen repräsentieren und sie in Tagesentscheidungen umsetzen. Der Bürgermeister war immer der Vorsitzende der Mandatsträger. Seit einigen Jahren übernimmt sie/er zusätzlich die Aufgabe des Stadtdirektors und wird dafür besoldet.

Dem öffentlichen Teil einer Ratssitzungen kann jeder Interessierte zuhören. Wenn es interessant wird oder der Rat sich nicht mehr an sein Mandat erinnert, kommen mehr Zuhörer als sonst. Viele Zuhörer kamen zur letzten Ratssitzung 2007, am 20. Dez.

Resümee: gut, daß es die NGO gibt. Damit läßt sich repräsentative Demokratie durchdrücken. Hat ein Mandatsträger bemerkt, daß NGO und das-bin-ich-meinem-Wähler-schuldig nicht dasselbe ist?

Die Ratssitzung sei keine Podiumsdiskussion, hieß es in der Einleitung. Dem Projektverkäufer, Dr. Wagner bzw. der GWE, wurde die Ratssitzung als Podium geboten. Die GWE trug vor:

Eine Photomontage der beiden Anlagen zum Vergleich. Finden Sie den Unterschied!

GWE

Nein, es gibt kein Preisgeld, wenn Sie 01307 123456 (3,67 €/Minute aus dem deutschen Festnetz) anrufen und die Dame zieht auch nichts aus.

Scheinriese

Das Konzept Müllverbrennung hat schon wieder neue Eckwerte. Nun sollen es zwei statt drei Verbrennungslinien für 240.000 t Abfall pro Jahr werden. Warum auf einmal die geringere Kapazität wurde nicht explizit erklärt. Können wir uns selber ausmalen: nicht genug Geld, nicht genug Brennstoff, nicht genug Heißdampf-Abnehmer, nicht genug Fördermittel, nicht genug Platz, …

Der Brennstoff ist schon heute knapp!

Wenn ich Dr. Wagner richtig verstanden habe, habe er bzw. die GWE Vorverträge mit den Brennstofflieferanten und die mögliche Konkurrenz habe keine. Seine Vorverträge liefen bis Ende Januar '08 und es sei gedacht, dann richtige Verträge daraus zu machen. Die richtigen Verträge seien auf 10 Jahre ausgelegt. Da vor 2011 die Anlage nicht arbeiten würde, wären ihr also 7 Jahre Brennstoff sicher.

Das eigentlich interessante steht zwischen den Zeilen und bestätigt unser Argument: der Brennstoff für Müllverbrennungsanlagen, zumindest für die vom geplanten Typ in Langelsheim, ist bereits heute ein knappes Gut. Und, so war zu hören, sein und der GWE eigentliches Kapital sind die Vorverträge, die den Brennstoff sichern. Mit diesem virtuellen Kapital läßt sich richtiges Geld einsammeln. So soll das Langelsheimer Projekt neuerdings mit Geld aus der Immobilienbranche finanziert werden.

Bleibt Geld in Langelsheim?

Es wird viel richtiges Geld investiert. Geld ist in der Region immer willkommen, wenn es denn hier bleibt. Es ist unbestritten, daß wir unseren Teil dazugeben müssen. Unsere Investitionen sind mindestens unser Land, unsere Luft, unser Wasser und Arbeitsplätze für Zugereiste, weniger Gäste, geringere Verkaufserlöse für unsere Riester-Alterssicherung. Bleibt die Frage: was ist unser Anteil am Geschäft?

Nichts oder gar nichts? Auch mit dem zweiten Geldgeber gibt es nicht eine verantwortliche Firma, die mit hinreichend Haftungskapital für das Gesamtprojekt gerade steht. Es ist geplant, über Partnergesellschaften – existierende oder zu gründende, eigene oder die Dritter, wer genau ist nicht ersichtlich – die Anlage bauen, beliefern, betreiben und die Energie verkaufen zu lassen.

image

Eine der GmbH & Co. KGs soll in Langelsheim ihren Sitz haben, also hier Gewerbesteuer zahlen. Ich wundere mich, daß niemand im Rat nachfragte, wie sichergestellt wird, daß die Langelsheimer GmbH & Co. KG hier Gewinn ausweisen, ergo Steuern zahlen wird. Denn beschränkte Haftungen machen untereinander Geschäfte. Wer nachvollziehen will, ob und wieviel von welcher GmbH & Co. KG verdient wurde, hat ordentlich zu tun. Ist kein kaufmännisch Denkender im Rat?

Frisch aus dem Hut gezaubert

Was hat sich geändert? Nix oder fast nix. Eine neue GmbH & Co. KG und ein Familienunternehmen statt einer börsennotierten AG. Die Conergy hatte keine Erfahrung mit Müllverbrennung, genauso wenig requiriert die Antan eine eigene Expertise im Energiemarkt und in Müllverbrennung. Die Conergy suchte neue Geschäftsfelder. Gleiches kann ich mir für die Antan vorstellen. 4 von 8 der auf der Website vorgestellten Projekte der Antan sind in Florida und Texas und weitere in New York angesiedelt. Ein weiteres Aktionsgebiet der Antan ist Israel. Der Immobilienmarkt in den USA ist danieder, der Dollar steht schlecht zum Euro. Da hat sich schon manche Bank verspekuliert. Es wird mit dem Geld verdienen jenseits des Atlantik nicht mehr rosig aussehen. Die Antan Investment, die zur Antan Group gehört, referenziert nur zwei Beteiligungen in Deutschland. Einmal Verpackung und einmal Heizkessel. Jetzt kommt als dritte die MaXXcon GmbH & Co. KG dazu, die es 2007 noch nicht auf die Antan-WebSite geschafft hat.

Die Conergy hat sich wegen finanziellen Engpasses auf ihr Kerngeschäft konzentriert und aus den Planungen der GWE, die mit dem Geld der Conergy eine Müllverbrennung in Langelsheim bauen wollte, zurückgezogen. Wie sicher ist die Finanzierung durch die Antan? Wie es der Antan geht, weiß nur der Buchhalter und die Familie Faktor. Die Conergy war wenigstens börsennotiert.

Langelsheim und der gesamte Nordharz sind belastetes Gebiet. Die Arbeit verantwortlicher Wissenschaftler, gewissenhafter Behörden und ganz besonders das Engagement der betroffenen Bürger haben zu einer meßbaren Verbesserung der Umwelt unserer Region geführt. Erinnern Sie sich noch an die bundesweiten Schagzeilen der 70er Jahre? Damals was es hier fünf vor zwölf. Es ist besser geworden.

Ein konkretes Beispiel. Die Blätter der Pappeln an der alten B82 am Westeingang Langelsheims, waren vor 25 Jahren sehr stark bleibelastet. Kurz vor der Jahrtausendwende, war kein/fast kein Blei mehr nachweisbar. Das ist in der Umweltprobenbank dokumentiert. Inzwischen sind die Pappeln gefällt.

Nicht überall ist der positive Effekt so schnell eingetreten. Zum Bauantrag im Jahr 2000, hat uns der Landkreis immer noch eine Anbau- und Verzehr-Empfehlung für unseren Garten sowie Vorgaben, daß wir kleine Kinder nicht auf unbewachsenem Boden spielen lassen sollten, ausgestellt.
Das Gesundheitsamt Goslar hat im März 2007 die noch vorhandene Belastung in Langelsheim als so kritisch angesehen, daß nichts mehr dazukommen darf.

Standortvorteil

Niedrige Energiekosten sind ein Standortvorteil. Bestandsschutz ist ebenfalls ein Standortvorteil. Eine bestehende Anlage erweitern zu können, ist ein Standortvorteil. Facharbeiter und weitere Chemiebetriebe in der Region sind ein Standortvorteil. Moderne Infrastruktur, Autobahn + Bahn + schnelles DSL, sind ein Standortfaktor. Es gibt noch viel mehr Vorteilskriterien.

Wer Energie zu einem Bruchteil der aktuellen Preise herstellt, wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, nur den Gestehungspreis in Rechnung zu stellen. Meine Strom- und Gaspreise und die meiner Nachbarn werden erhöht, obwohl die Konzerne mehr als gut verdienen. Der Markt gibt es her. Die Energiepreise aus der Müllverbrennung werden sich am Markt orientieren. Also knapp unter der Konkurrenz aber auf keinen Fall so rosig werden wie angedeutet. Im Umkehrschluß: es wird sich nicht rechnen, nur wegen der Energiepreise den Betrieb in die Nähe einer MVA zu verlagern. Kann ich jedoch meine Anlage nicht ausbauen, weil die anderen Betriebe bereits alle Kapazitäten der Region ausnutzen, dann gibt es keine Alternative zur Betriebsverlagerung. Unsere knappen Reserven, denn wir haben viel Industrie, sind das Dilemma des Industrie-Standortes Langelsheim. Die Müllverbrennung nutzte, wenn sie überhaupt zugelassen werden kann, die letzten Reserven der Region bzgl. Luftbelastung* und Wasserverbrauch auf. Die eingesessenen Betriebe wären auf dem status quo eingefroren.

Die große Koalition im Rat und der SPD-Bürgermeister gefährden den Chemie-Standort Langelsheim!

Noch ein Simsalabim

Neben dem neuen Geldgeber, der verkleinerten Anlage, dem utopischen Zeitplan, den auslaufenden Vorverträgen:

Der Bunker soll nicht mehr 8 Meter tief in das sanierte Gelände eingebuddelt werden.

Eine Rampe wird den anliefernden LKWs das Befüllen des Bunkers ermöglichen. Das ist extra teuer, warum also? Würde die Sanierung der Sophienhütte durch den Bunkerbau konterkariert? Wehrte sich die EU und forderte das unter anderem Kontext gewährte Geld zurück? Ist der Bunkerbau auf diesem Gelände nicht genehmigungsfähig? Oder wird ein Bunker, 8 Meter tief ins Wasser gebaut, teurer als die Rampe?

Wie auch immer. Ich habe Rampe und MVA einmal darzustellen versucht. Wie ich es drehe und wende, die Anlage paßt noch immer nicht aufs Gelände!

image

* Die zu erwartende Luftbelastung wird verniedlicht mit dem Vergleich der Belastungen aus den Kaminen in den Privathaushalten. Rechnen Sie selber aus: wieviele LKWs hinreichten, um alle Kaminbesitzer Langelsheims für ein Jahr mit Brennholz zu versorgen und im Sommer die Grillkohle und den Sprit für die Rasenmäher heranzuschaffen!? Außerdem verbrennt ein Privathaushalt keinen Kunststoff.
Die rechnerische CO2-Einsparung, wg. 40% Holzanteil, ist Milchmädchen-Rechnung vom Feinsten.